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You're never too young to be a dirty old fan

Zu Besuch in der hässlichsten Stadt Deutschlands


Erstmals zu Gast in einem Weltkulturerbe — der Völklinger Hütte, wo noch bis zum 30. Juni die Ausstellung generation pop! zu sehen ist, in deren Rahmen ich einen Vortrag darüber hielt, wie am Beispiel von Punk eine Jugendkultur kulturell enteignet wird. (Der 60-minütige Vortrag samt Multimedia-Show kann übrigens auch gebucht werden)

Sehr kompetent kuratiert von Meinrad Maria Grewenig, dem geschätzten Kollegen Ernst Hofacker u.a. zeigt die Ausstellung den Zusammenhang von Popmusik und Industriekultur auf — vor einer bizarren Kulisse, in der ehemaligen Gebläsehalle dieses 1986 stillgelegten Eisenwerks, in dem in den Sechzigerjahren noch 17.000 Arbeiter bei Temperaturen bis zu 100 Grad den Stahl umwalzten.

Nicht zuletzt dieser Gegensatz macht die Ausstellung einzigartig, die zudem sehr weitläufig ist und ein idealer Auftrittsort für Kraftwerk wäre (mit denen zurzeit über ein Konzert verhandelt wird).

Sehr empfehlenswert auch der Ausstellungskatalog, der im Wunderhorn Verlag erschienen ist und Abbildungen fast aller Ikonen, Unikate und sonstigen Ausstellungsstücke enthält — wie z.B. Marc Bolans Plateauschuhe …

einen von Klaus Voormann bemalten Beetle …

zahlreiche Bravo-Starschnitte wie den von Bruce Lee

oder eben den Plattenspieler Mr. Hit aus dem Jahr 1966.

Nicht im Katalog, sondern nur in der Ausstellung zu sehen: die Ledermaske des Who-Schlagzeugers Keith Moon (Jahre vor Pussy Riot!).

Eine Wurlitzer-Musicbox und den Mann mit dem Hut gab’s natürlich auch zu sehen.

Wirklich imposant ist jedoch der Kontrast — hier die Maschinenwelt, dort die Welt der Pop-Maschinerie. Wozu mir mal wieder Male einfielen: „Rolltreppe, Rolltreppe, Eisen und Stahl. Rolltreppe, Rolltreppe, Zukunft brutal.”


Nach Schichtende warteten in den zahlreichen umliegenden Kneipen schon Reihen vorgezapfter Biere auf die Stahlarbeiter — und nicht das Getränk der Kinder von Karl Marx und Janis Joplin.

Fast alle Gaststätten mussten nach der Schließung der Hütte  jedoch einem riesigen Einkaufszentrum weichen, das heute die Stadtmitte vom Museum abschneidet.

Im Anschluss an die Besichtigung der Ausstellung und dem Mittagessen im Umwalzer (sehr lecker: Gefilde — mit Hack gefüllte Klöße und Sauerkraut) gewährte mir der Ausstellungsleiter Frank Krämer noch einen exklusiven Eindruck dieser gigantischen Industrieanlage.

Ein hochkompliziertes Konstrukt, vor allem für einen technischen Laien wie mich, aber auch ein sehr ästhetisches Geflecht von Röhren, Schornsteinen, Behältern, Sickergruben und was weiß ich, das teilweise bewusst der Natur überlassen wird, die sich letztlich doch als stärker erweist als jeder technische Fortschritt.

In Völklingen, vor Jahren von RTL mal als hässlichste Stadt Deutschlands gebrandmarkt, enthüllt sich aber auch, warum die DDR so spießig war — Erich Honecker war Saarländer, bevor er rübermachte.

Im Stadtrat ist — neben der CDU, der SPD, den Grünen und den Linken — auch die NPD vertreten. Gegen ein Denkmal für alle Opfer des Faschismus konnte sie aber nichts ausrichten. So ganz hat man in Völklingen eben doch nicht vergessen, dass wie viele Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in der Gluthitze der Völklinger Hütte hier im Zweiten Weltkrieg ihr Leben ließen.

 

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