skaichannel

You're never too young to be a dirty old fan

Erinnerung an Frank Schirrmacher


Das Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” besteht heute ausschließlich aus Nachrufen von FAZ-Redakteuren, die sich sehr bewegend an ihren überraschend verstorbenen Chef Frank Schirrmacher erinnern und so seine Bedeutung für den Journalismus und die Debattenkultur über seinen Tod hinaus festhalten. Ich selbst habe einmal mit ihm an einem Tisch gesessen, im Rahmen der lit.cologne 2006, wo ich erstmals aus meiner Rio-Reiser-Biografie gelesen hatte, die es damals nur als E-Book gab, weil Rios Brüder mit einem Rechtsstreit gedroht hatten. Schirrmacher war eben erst aus Berlin angereist und unterhielt sich kurz mit Uli Genzler, dem Geschäftsführer des Heyne Verlags, der mir hinterher erzählte, dass der mächtige Herausgeber und Feuilleton-Chef der FAZ ständig zwischen Frankfurt/Main und Berlin unterwegs sei und ihn und andere dann vom Auto aus anrief. Das sei typisch für ihn — gedanklich immer so schnell unterwegs wie mit dem Auto.
Obwohl ich ein paar Jahre älter war als Schirrmacher, kam ich mir neben ihm wie ein kleiner Junge vor. Der Mann sprudelte über vor Energie, zugleich schien er keinen allzu großen Wert auf sein Aussehen zu legen. Zu einem braunen Jackett trug er einen grellen blauen Pullover, als habe er kein Farbempfinden und kleide sich nur, weil er schließlich nicht nackt herumlaufen könne. Ihm fehlte es offenbar an modischem Stil, aber auch an jeglicher Eitelkeit, weshalb sich dieses Bild von ihm in meiner Erinnerung eingebrannt hat. Es liegt nun an den Redakteuren der FAS, die von Schirrmacher gegründet wurde und die er zur fundiertesten deutschen Zeitung machte, sein Lebenswerk fortzuführen und die Leser nicht zu enttäuschen. Das heutige FAS-Feuilleton stimmt mich aber zuversichtlich — Schirrmacher hat schon zu Lebzeiten dafür gesorgt, dass dies gelingt, indem er seine Redakteure nicht wie Zeilenknechte behandelte, sondern sie immer wieder ermutigte, über den Tag hinaus zu denken, Debatten anzuleiern und sich eine eigene Meinung zu bilden, über die sich trefflich streiten lässt. Wie sang doch einst Neil Young über Johnny Rotten: He’s gone but not forgotten. In diesem Sinne werde ich auch Frank Schirrmacher in Erinnerung behalten — auch wenn ich mit ihm stets die Farbe seines Pullovers und Jacketts verbinden werde.

Foto: CC/Wikipedia

Kommentar schreiben