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Legendäre Unfälle (3) — Paul Walker


„Biblisches Opfer auf dem Altar der Beschleunigungsgier“

Paul Walker drehte gerade den siebten Teil der Filmreihe „The Fast and the Furious“, in der er einen Cop spielt, der mit getunten Sportwagen an illegalen Straßenrennen teilnimmt, als er in einem roten Porsche Carrera GT gegen einen Baum prallte und verbrannte.

Das etwa 50 Kilometer nördlich von Los Angeles gelegene Santa Clarita ist dem FBI zufolge eine der sichersten Städte der USA. Die Kriminalitätsrate ist in der mittelgroßen Stadt so niedrig wie fast nirgendwo, sodass immer mehr weiße Mittelständler dem Moloch L.A. entfliehen und sich im Stadtteil Valencia niederlassen, der am Reißbrett eines österreichischen Stadtplaners entstanden ist und erst in den 1960ern aus dem Boden gestampft wurde.

Seit dem 30. November 2013 ist Santa Clarita aber nicht nur dafür berühmt, dass dort die TV-Polizeiserien „Navy CIS“ und „The Closer“ gedreht werden, sondern auch dafür, dass hier der Action-Star Paul Walker ums Leben kam.

Obwohl er bereits als Kind in Werbespots zu sehen war und kleine Gastauftritte in Fernsehserien hatte, erzielte der gläubige Mormone, der der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage angehörte, seinen Durchbruch als Schauspieler erst, als er 2001 an der Seite des Babynators Vin Diesel in dem Action-Film „The Fast and the Furious“ zu sehen war. Walker spielte in dem Kino-Spektakel einen V-Mann des Los Angeles Police Departments, der ein paar Lkw-Diebstähle aufklären soll, aber schon bald Gefallen an illegalen Autorennen findet, selbst zum Speed-Junkie wird und in einem aufgerüsteten Toyota Supra daran teilnimmt.

Die aufwendig inszenierte Hollywood-Klamotte war so erfolgreich, dass ständig neue Fortsetzungen gedreht wurden; allein die sechste Folge spielte weltweit mehr als 700 Millionen Dollar ein.

Die Dreharbeiten zu Teil 7 dauerten noch an, als Walker zusammen mit seinem Freund Roger Rodas, einem Rennfahrer, an jenem 30. November zu einer Autoshow düste, die von Walkers Stiftung Reach Out Worldwide veranstaltet wurde, um Spenden für die Opfer des Taifuns Haiyan zu generieren, der kurz zuvor die Philippinen verwüstet hatte.

Auf dem Rückweg kamen Walker und Rodas, der am Steuer seines roten Porsche Carrera GT saß, auch durch den betulichen Stadtteil Valencia, der sogar über befestigte Fußwege verfügt — was in den USA so selten ist wie Schwarzbrot oder Ostereier aus Marzipan. Statt der vorgeschriebenen 70 Stundenkilometer hatte Rodas allerdings 160 auf der Nadel, als er in eine Kurve bretterte, die von „driftverliebten Jugendlichen“ besonders geschätzt wurde. Der Sportwagen kam von der Straße ab, fegte über eine Bordsteinkante, prallte gegen einen Laternenmast, der wie ein Messer die Karosserie durchschnitt, und schließlich gegen einen Baum. Der Tank, der bei dem GT direkt hinter den Sitzen eingebaut ist, wurde bei dem Crash offensichtlich beschädigt, sodass knapp zehn Sekunden später eine Stichflamme aufloderte und die Fahrgastzelle aus Karbon wie Zunder brannte. Rodas und sein prominenter Beifahrer erlitten zahlreiche Knochenbrüche und verbrannten bei lebendigem Leib — „wie ein biblisches Opfer auf dem Altar der Beschleunigungsgier“, so Ulf Poschardt in der „Welt“.

Fans des Action-Stars, der sich von der Low-Budget-Produktion „Hours“, die wenig später im Internet zu sehen war, erhofft hatte, dass er künftig auch als Schauspieler zu Ehren kommen würde, forderten schon kurz darauf per Online-Petition, die Hercules Street, auf der sich der Unfall ereignete, in „Walker/Rodas Memorial Way“ umzubenennen. Und ein 18-Jähriger war gar so clever, an einer Ampel ein rotlackiertes Teil des Autodachs von der Ladefläche des Lkw zu stehlen, der den völlig demolierten Porsche abtransportierte. Um ein Foto der Trophäe anschließend stolz auf Instagram hochzuladen — und so die Polizei auf sich aufmerksam zu machen.

Gerüchte, wonach Walker bei einem illegalen Autorennen zu Tode gekommen sei, wurden jedoch schnell dementiert. Und wie die Gerichtsmedizin von Los Angeles herausfand, hatten Rodas und Walker weder unter Drogen- noch unter Alkoholeinfluss gestanden.

Teil 7 der Filmreihe „The Fast and the Furious“ wird nun nicht, wie ursprünglich geplant, schon im Sommer dieses Jahres zu sehen sein, sondern erst im April 2015. Die Verlegung des Kinostarts dürfte aber nicht der Pietät geschuldet sein, auf die man in Hollywood noch nie Rücksicht genommen hat, sondern schlicht und einfach damit zu tun haben, dass man nach dem Tod eines Hauptdarstellers das Drehbuch gewaltig umstricken musste. So verbietet sich allein schon deshalb ein Vergleich mit der Hollywood-Legende James Dean. Dessen Film „… denn sie wissen nicht, was sie tun“ war längst fertig geschnitten, als er 58 Jahre zuvor in einem Porsche Spyder verunglückte und posthum zum Idol einer Generation wurde. Paul Walker hingegen wird nur als Darsteller in getunten Action-Filmen in Erinnerung bleiben, deren verwackelte Kameraführung bis zum Exzess wiederaufbereitet wird, und deren Dialoge so peinlich sind wie Walkers aufgemotzter Toyota, mit dem er darin gegen den Babynator antritt.

Und auch die Hercules Street von Valencia wird wohl nicht umbenannt, weil sich Paul Walker um die Gemeinde nicht verdient gemacht habe. Ein Trost bleibt seinen Fans jedoch: Google Maps verzeichnet am Unfallort immerhin eine Gedenktafel.

Erschienen in: Motoraver 33 — The Wasteland Issue

 

 

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