Legendäre Unfälle (4) — Falco
Falco wollte wie James Dean sterben — „auf einer Kreuzung, im Porsche. Zack. Aus.“ Doch dann bog er mit seinem Mitsubishi Pajero vom Parkplatz einer dominikanischen Disco auf eine staubige Landstraße ein und wurde von einem Überlandbus erfasst.
Der letzte große Erfolg des ersten weißen Rappers lag bereits ein paar Jahre zurück, als er seiner Heimatstadt Wien 1996 den Rücken kehrte und in die Dominikanische Republik übersiedelte, wo er zunächst in einer schneeweißen Villa mit Pool und Blick auf die Bucht von Cofresi residierte. Die Musikbranche hatte er zunehmend als „devastiert und moralisch heruntergekommen“ empfunden. Ein Vaterschaftstest hatte drei Jahre zuvor ergeben, dass er nicht der biologische Vater seiner Tochter Katharina Bianca war. Und seine Ehe mit deren Mutter war bereits ein Jahr nach der imagegerechten Hochzeit in Las Vegas zerbrochen. „Die Frage ist nicht, was mache ich hier“, sinnierte Österreichs einziger Popstar von internationalem Rang denn auch. „Die Frage ist, was lasse ich in der Zeit zu Hause für einen Blödsinn aus.“
Als Falco alias Johann „Hansi“ Hölzel, der seinen Künstlernamen dem DDR-Skispringer Falko Weißpflog verdankte, 1982 mit dem HipHop-Song „Der Kommissar“ einen europaweiten Hit gelandet hatte, war er nach Kraftwerk („Autobahn“) der zweite Künstler, der mit einem deutschsprachigen Titel in der US-Hitparade notiert wurde. Zum Weltstar wurde er jedoch erst vier Jahre später, als er sich im Zuge des Erfolgs von Milos Formans Film „Amadeus“ zum Mozart-Punk stylte und den ersten Platz der Charts in England und den USA belegte.
Statt nach Amerika zu gehen und dort dauerhaft Karriere zu machen, blieb er jedoch seiner Heimat treu, „weil das Schönste an der amerikanischen Fahne die rotweißroten Streifen sind“. Glücklich wurde er in Österreich allerdings auch nicht, vielmehr plagten ihn Depressionen, die ihn schließlich doch noch veranlassten, die Alpenrepublik zu verlassen und in der Karibik ein neues Leben zu beginnen.
Auch dort hatte er aber schon bald die Nase voll von dem Rummel um seine Person und von seinen Landsleuten: „Wenn dir der Bauchschuss-Karli aus Ottakring auf d’ Schulter klopft, hab ich schon g’nua.“ Um den Pauschaltouristen zu entkommen, die sich in sein Privatleben drängten, setzte er sich immer öfter in seinen Jeep und brauste gedankenverloren durch die Gegend. Sein bereits fertig produziertes Album „Out of the Dark“ wollte er wieder einstampfen, weil er an sich selbst zweifelte. Und als ihn eine „Traumfrau“ mal wieder verlassen hatte, vergnügte er sich im Striptease-Club Principe und fuhr am nächsten Tag ziellos über die Insel, bis er schließlich vor der Turist Disco hielt, wo er trotz der Nachmittagshitze eine Stunde lang mit nacktem Oberkörper und in schwarzen Shorts im Wagen sitzen blieb und traurig ins Leere starrte.
Die Kellnerin Maribel Baldez war die letzte, die Falco am 6. Februar 1998 bei lebendigem Leib gesehen hat. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin „News“ gab sie zu Protokoll, dass er „verwirrt, deprimiert oder betrunken“ gewesen sei: „Seine Haare waren total zerzaust.“ Zeugen zufolge soll sie vor dem Interview aber erzählt haben, dass sie sich geweigert hatte, ihm weiterhin Hochprozentiges auszuschenken, weil er bereits schwer betrunken war. Bei der Obduktion wurden später große Mengen von Alkohol, Kokain und Marihuana nachgewiesen.
Als Falco schließlich das Gaspedal durchtrat und mit seinem Mitsubishi Pajero vom Parkplatz auf die Straße schoss, die vom Flughafen nach Puerto Plata führt, bohrte sich ein Reisebus, der mit 100 Sachen übers Land jagte, in die linke Seite seines Geländewagens. Bei dem Crash wurde sein Brustkorb zerquetscht, seine linke Körperhälfte entstellt, der hintere Teil seines Kopfes eingedrückt, seine Zähne wurden ausgeschlagen und seine Arme und Beine gebrochen.
Am schlimmsten, so ein Manager des Hacienda Resorts, in dem Falco seit fast zwei Jahren lebte, sei jedoch sein Gesichtsausdruck gewesen — „als würde sich das ganze Entsetzen, das ganze Erkennen der tödlichen Situation Bruchteile von Sekunden vor dem Zusammenprall in sein Gesicht gegraben haben“.
In seiner Villa, so der „News“-Reporter, lehnte noch eine Gitarre an der Couch. Im Regal standen Videos wie „The Last Outlaw“ oder „Die letzte Spur des Falken“. Und im CD-Player lag „Never Let Me Down“ von David Bowie, den er Zeit seines Lebens verehrt und dem er nachgeeifert hatte.
Auf seinem letzten Flug, der ihn mit dem Jet „James Dean“ seines Freundes Niki Lauda zurück nach Wien brachte, war Falco standesgemäß gekleidet — ein Manager des Hacienda Resorts hatte dafür gesorgt, dass man dem entstellten Leichnam ein Hemd von Versace überstreifte.
Als er im Beisein von viertausend Fans auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt wurde, trugen Rocker der Motorrad-Gang Outsider Austria seinen Sarg zu Grabe, die einst im Video-Clip zu „Rock Me Amadeus“ mitgespielt hatten. Und sein postum veröffentlichtes Album „Out of the Dark“ schoss so schnell auf Platz 1 der österreichischen Hitparade, wie Falco mit seinem Jeep vom Parkplatz auf die Straße gebrettert war, an der heute weder eine Gedenktafel noch ein Kreuz an seinen Tod erinnert.
Auf „Out of the Dark“ hatte Falco sich auch gefragt: „Muss ich denn sterben, um zu leben?“ Die Antwort hat er sich selbst gegeben.
Erschienen in: Motoraver 34 — The Dorfpunk Issue
Foto: Benutzer:Priwo