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You're never too young to be a dirty old fan

Legendäre Unfälle (5) — Lynyrd Skynyrd

Sweet Home Alabama

Das sechste Album der Southern-Rock-Band Lynyrd Skynyrd, „Street Survivor“, war gerade mal drei Tage in den Plattenläden, da musste das Cover, auf dem ihr Sänger Ronnie van Zandt in einem Neil-Young-T-Shirt vor einer Flammenwand zu sehen war, durch ein anderes ersetzt werden, weil die Band mit einem Flugzeug abgestürzt war.

Mit dem Song „Sweet Home Alabama“, einer Retourkutsche auf den Song „Southern Man“, in dem der kanadische Songwriter Neil Young die Südstaatler aufgefordert hatte, doch endlich aufzuhören, sich als Opfer des mehr als 100 Jahre zurückliegenden amerikanischen Bürgerkriegs zu fühlen, hatten sie 1974 die Charts gestürmt und „Mistuh Young“ empfohlen, doch lieber einen Song über die U-Bahn zu singen, weil er davon mehr verstehe als von den Problemen des Südens.

Gemeinsam mit den aus Macon, Georgia stammenden Allman Brothers hatten Lynyrd Skynyrd damals den Southern Rock kreiert, zu dessen größten Fans der damalige Gouverneur von Georgia und spätere US-Präsident Jimmy Carter gehörte. Und „Sweet Home Alabama“ war der erste große Hit der aus Jacksonville, Florida stammenden Band und schnell zur neuen Hymne der Südstaaten geworden, die sich nicht länger als Anhänger der Sklaverei verunglimpfen lassen wollten, sondern auch stolz auf ihre Heimat waren.

Für ihre Street-Survivor-Tournee charterten sie 1977 eine Convair, aus deren Motor bereits auf dem Flug von Miami nach Greenville, South Carolina Flammen schossen. Ein paar Mitglieder der Band und der Roadcrew buchten sich daraufhin in einer anderen Maschine ein, um zum nächsten Auftrittsort zu gelangen, doch ihr Sänger Ronnie van Zandt überredete sie schließlich, noch einmal mit der bereits 1947 gebauten Convair nach Baton Rouge, Louisiana zu fliegen.

Über Amite County begann ihr Motor jedoch zu stottern, was der Pilot Walter McCreary damit erklärte, dass Treibstoff von einem Flügel in den anderen geleitet werde, um das Flugzeug auszubalancieren. Als der Motor dann ganz ausfiel, eilten der Keyboarder Billy Powell und der Drummer Artimus Pyle erneut ins Cockpit, wo sie hörten, wie McCreary „Oh, mein Gott!“ murmelte, und vom Co-Piloten angewiesen wurden, sich auf ihre Plätze zu begeben und anzuschnallen.

Powell und Pyle wuchteten den auf dem Kabinenboden schlafenden Ronnie van Zandt in seinen Sitz, während McCreary versuchte, den nur acht Meilen entfernten Flugplatz in McComb, Mississippi zu erreichen. Am 20. Oktober 1977 um 18.47 Uhr stürzte die Convair mit 26 Musikern und Roadies an Bord in einem Waldgebiet am State Highway 568 ab. Die Maschine kippte nach vorn auf die Seite, wodurch alle Insassen in den Bug geschleudert wurden. Das Dach der Convair wurde abgerissen, und der dabei entstehende Lärm kam Powell so vor, „als würde jemand die Außenhaut des Flugzeugs mit Hunderten von Baseballschlägern traktieren“. Powell, dessen Nase nun an der Seite seines Gesichts hing, Pyle, dessen gebrochene Rippen aus seinem Brustkorb ragten, und der Roadie Kenneth Peden versuchten Hilfe zu holen; der Schweinezüchter Johnny Mote, über dessen Farm die Convair abgestürzt war, hielt die abgerissen aussehenden Überlebenden zunächst jedoch für entlaufene Sträflinge und feuerte einen Warnschuss in die Luft.

Als er den Unfallort schließlich erreichte, bot sich ihm ein Bild des Grauens: Der Co-Pilot William John Gray hing kopflos in einem Baum, im Rücken des auf dem Gesicht liegenden Roadmanagers Dean Kilpatrick steckte ein Wrackteil, der Bassist Leon Wilkeson hatte sich den Kiefer, das linke Bein und den linken Arm gebrochen, seine Brust war gequetscht, die Lunge verletzt und er hatte innere Blutungen. Der Gitarrist Gary Rossington hatte gebrochene Arme und Beine, Prellungen und eine Gehirnerschütterung, sein Kollege Albert Collins schwere Rückenverletzungen, zwei gebrochene Halswirbel und in seinem Arm steckte ein Metallteil. Die Background-Sängerin Leslie Ann Hawkins hatte einen dreifachen Halswirbelbruch, ihr zerschnittenes Gesicht konnte später nur durch aufwändige plastische Operationen wiederhergestellt werden. Die Körper des Gitarristen Steve Gaines, seiner Schwester, der Background-Sängerin Cassie Gaines, und des Piloten der Unglücksmaschine waren grausam entstellt. Allein Ronnie van Zandt hing friedlich in seinem Sitz und nur ein münzgroßer Bluterguss an der Schläfe deutete auf eine Kopfverletzung hin, die ihm das Leben gekostet hatte.

Die Rettungsaktion gestaltete sich äußerst schwierig. Weil Hubschrauber auf dem sumpfigen Boden nicht landen konnten, musste vom State Highway 568 aus ein Pfad durch den Wald geschlagen werden. Im offiziellen Bericht des U.S. National Transportation Safety Boards wurde als Unfallursache eine „Disfunktion unbestimmter Ursache im rechten Motor mit der Folge erhöhten Treibstoffverbrauchs“ angegeben — weshalb die Convair beim Aufprall nicht explodiert war.

Der Schweinezüchter John Mote errichtete später auf seiner Farm ein Denkmal mit der Inschrift „Free Bird“ (dem Titel ihres zweiten Hits), der Konföderiertenflagge und einer Adler-Statue. Dass die Absturzstelle nicht zum Wallfahrtsort von Lynyrd-Skynyrd-Fans wurde, hat jedoch einen guten Grund: Dort wimmelt es nur so von hochgiftigen Wassermokassinschlangen.

Verehrt wie kaum eine andere Band werden Lynyrd Skynyrd aber immer noch in den Südstaaten. Der Titel ihres größten Hits, zu dem Eminem rappte, der im Film „Forrest Gump“ gleich mehrmals zu hören ist und an den Kid Rock 2008 mit seinem Nummer-1-Hit „All Summer Long“ erinnerte, ziert heute in Alabama jedes Kfz-Kennzeichen.

 

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